Parteigutachten

Was ist ein Amtsgutachten?

Amtsgutachten sind Ermittlungen, die vom Richter im Zuge eines zivil- oder eines Strafverfahrens verfügt werden. Der Richter vertraut diese Ermittlungen psycho-forensischen Experten (ASV) an, wenn die spezifische Komplexität des Falles bestimmte fachliche Kenntnisse erfordert, die er selber nicht besitzt, sodass es ihm nicht möglich wäre, den Fall zu entscheiden.

So kann der Richter im Rahmen eines Zivilverfahrens einen ASV ernennen, um festzustellen ob die in Trennung oder Scheidung begriffenen Eltern fähig sind, ihre Elternschaft in angemessener Weise auszuüben, wobei es um Fragen geht, wie: Kümmern sich die Eltern in entsprechender Weise um die Bedürfnisse des Kindes? Wie geht es dem Kind? Wem soll es anvertraut werden: der Mutter, dem Vater, oder aussenstehenden Einrichtungen oder Institutionen? In anderen Fällen soll der ASV ermitteln, ob ein Opfer von Mobbing, Unfällen, medizinischen Kunstfehlern usw. tatsächlich auch einen psychischen Schaden erlitten hat, und ob und in welchem Ausmaß diesbezügliche Schadensersatzforderungen gerechtfertigt sind. Andere psychologische Amtsgutachten können die Ermittlung der Zurechnungsfähigkeit von Personen hinsichtlich einer eventuellen Entmündigung betreffen, oder können zum Beispiel dazu dienen, festzustellen, ob das Testament eines älteren Menschen wirklich seinem letzten Willen entspricht, oder ob dieser zum Zeitpunkt der Testamentsverfassung bereits nicht mehr in der Lage war, frei von eventuellen Suggestionen über seinen Nachlass zu entscheiden.

Im Bereich der Strafverfahren verfügt der Richter ein psychologisches Amtsgutachten, um eventuelle Zweifel bezüglich der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt bzw. im Prozessverlauf zu klären, oder, um die Vereinbarkeit eines bestimmten psychophysischen Zustandes des Angeklagten mit einem Gefängnisaufenthalt zu ermitteln. Häufig kommt es in Fällen von Kindesmissbrauch zu Ernennungen von Amtsgutachters, wobei der ASV in diesen Verfahren bewerten soll, ob belastende Erzählungen des Kindes glaubwürdig sind oder nicht. Ein Gutachten kann des weiteren Klarheit schaffen, wenn es darum geht festzustellen, ob eine (meist ältere) Person im Rahmen eines wenig vorteilhaften Rechtsgeschäftes frei entschieden hat, oder ob sie getäuscht und übervorteilt worden sein könnte.

Warum sollte man einen Parteisachverständigen (PSV) ernennen?

Die Rolle eines PSV und die Vorteilhaftigkeit der Ernennung eines PSV im Rahmen eines Amtsgutachtens wird oft, sowohl von den Interessierten selber, als auch von ihren Verteidigern, unterschätzt. Nicht zuletzt aufgrund der verbreiteten Annahme, die psycho-forensische Bewertung sei ein eher belangloser Schritt auf dem Weg zur richterlichen Entscheidung. In der Praxis ist dem jedoch nicht so: in den Sorgerechtsverfahren wirkt sich das gerichtliche Gutachten oft maßgeblich auf den Beschluss bezüglich des Sorgerecht und der elterlichen Besuchszeiten aus; in den Strafverfahren kann das Gutachten aussschlaggebend dafür sein, ob es zu einer Verurteilung kommt und mit welchen Modalitäten eine Strafe vollzogen wird.

So wie der Richter einen Sachverständigen ernennt, sobald er nicht über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt, sollte auch der Anwalt die Ernennung eines PSV in Erwägung ziehen, da auch er meist nicht über die fachlichen Kompetenzen verfügt, um der psycho-forensischen Begutachtung zu folgen und sich gezielt daran zu beteiligen.

Gutachten bewegen sich auf einem ganz eigenen Terrain und können mit einer Reise in ein fremdes Land verglichen werden. Der Gutachter ist, gleich einem Reiseführer, der Sprache und der Bräuche dieses Landes kundig und er ermöglicht es den Beteiligten, sich zu verständigen und das noch unbekannte Umfeld kennenzulernen. Auch vermag er zu verhindern, dass aus Unkenntnis der lokalen Sitten und Gegebenheiten, es zu unliebsamen Zwischenfällen kommt. Der PSV wird für seinen Klienten ein wertvoller Bezugspunkt: er nimmt ihn auf, lenkt und begleitet ihn im Verlauf des Amtsgutachtens. Ebenso wichtig ist seine Rolle für den Rechtsbeistand: er nimmt dessen Empfehlungen auf, berichtet ihm und überprüft beständig, mit fachkundigem Blick, das Voranschreiten der gutachterlichen Arbeiten.

Der Parteigutachter setzt sich im Zuge der Erstellung des Amtsgutachtens mit dem Amtssachverständigen auseinander und stellt so eine Gewähr dar, für die Transparenz und der Ordnungsmäßigkeit des Verlaufes der gutachterlichen Tätigkeiten. Auch kann der PSV tiefgehendere Untersuchungen oder eine Ausweitung des Ermittlungsbereiches beantragen, denn nur ein Experte kann wirklich überprüfen, ob die Arbeit des Amtssachverständigen den spezifischen Gegebenheiten des Falles und der richterlichen Fragestellung tatsächlich angemessen ist.

Zum Schluss unterbreitet der PSV, erst dem Amtssachverständigen und sodann dem Richter, seine kritische Stellungnahme zum Bericht des ASV. Auf diesem Weg kann er das Gericht auf wichtige Umstände aufmerksam machen, die möglicherweise vom ASV nicht wahrgenommen wurden, oder auf welche dieser in seiner Bewertung nicht eingegangen ist.

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